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Frohe Ostern

 
Die Lerche stieg am Ostermorgen
empor ins klarste Luftgebiet,
schmettert hoch im Blau verborgen
ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte,
da klangen tausend Stimmen nach im Feld,
Wach auf, das Alte ist vergangen,
wach auch, du froh verjüngte Welt.
 
Wacht auf und rauscht durchs Tal, ihr Bronnen
und lobt den Herrn mit frohem Schall.
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen,
Ihr grünen Halme und Läuber all.
Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
Ihr Primeln weiß,ihr Blüten rot,
ihr solltet es alle mit verkünden,
Die Liebe ist stärker als der Tod.
 
Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
die ihr im Winterschlafe säumt,
in dumpfen Lüften, dumpfen Schmerzen,
ein Gottentfremdet Dasein träumt.
Die Kraft des Herrn weht durch die Lande,
wie Jugendhauch, oh laßt sie ein!
  Zerreißt wie Simson eure Bande,
und wie die Adler sollt ihr sein.
 
Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen
gebrochen an den Gräbern steht,
ihr trüben Augen, die von Tränen
ihr nicht des Frühlingsblüten seht,
ihr Grübler, die ihr fern verloren
traumwandelnd irrt auf wüster Bahn,
wacht auf! Die Welt ist neugeboren,
hier ist ein Wunder, nehmt es an.
 
Ihr sollt euch all des Heiles freuen,
das über euch ergoßen ward!
Es ist ein Inniges Erneuern,
im Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war, grünt im Wehn der Lüfte,
Jung wird das Alte fern und nah.
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte,
wacht auf, der Ostertag ist da!
 
Unterm Baum im grünen Gras,
sitzt ein kleiner Osterhas,
putzt den Bart und spitzt das Ohr,
macht Männchen, guckt hervor.
Springt dann fort in einem Satz,
und ein kleiner frecher Spatz,
schaut jetzt nach, was denn dort sei.
Und was ist es?
Ein Osterei!
Emanuel Geibel (1815-1884)